Naja ich werde diese Erfahrung wohl nicht in meine "schönsten Ausflugserinnerungen" memorieren. Es ist 12.28 Uhr und ich stehe am Gleis. Voller Tatendrang habe ich mir den Nachmittag eingeplant, um in Zürich eine Freundin zu treffen. Zugfahren mit Baby sollte doch easy sein. Ich kann mit ihr den Gang entlang laufen und das Geräusch des Zuges ist sicherlich beruhigend. Ich habe mir das also richtig toll vorgestellt. Ein Ausflug zu zweit. Kaum im Zug fühlt sich Kylara unwohl. Essen möchte sie nicht, stillsitzen auch nicht und der Gang ist ihr wohl zu öde. Das Geräusch des Zuges scheint am Ende die Lösung, denn sie schläft in der Hälfte der Fahrt ein. Naja stressfrei geht anders, aber wir kommen gut in Zürich an. Sogar während des Kaffees mit meiner Freundin schläft die Kleine brav. Und schon verfalle ich der typischen Mutter Vergesslichkeit und finde meine Kylara einfach nur noch süss und den Ausflug super. Aber dann gings zurück zum Bahnhof und Kylara reklamiert mit starkem Stimmorgan. Die Menschen um mich herum ein Stressfaktor mehr. Die einen schauen mitleidig, die anderen genervt. Wieder andere scheinen zu prüfen, ob mein Kind misshandelt wird. Auf den Zug warten und das in unbequem dicker Winterkleidung, scheint Kylara genauso doof zu finden wie ich. Die Bahnhofuhr hat noch nie so langsam getickt, glaubt mir. In dieser Situation lief mir der Schweiss von der Stirn und das nicht nur, weil ich viel zu warm gekleidet bin. Irgendwann ruf ich Kilian an und flüstere hoffnungsvoll ins Telefon: hast du eine Ahnung, was ihr nicht passt? Der Arme Kilian bewahrt die Ruhe trotz Gebrüll im Hintergrund. Vielleicht hat sie zu warm? Ja aber es ist Winter, ich kann sie doch nicht auspacken. Der Zug fährt ein, juhuu drinnen kann ich ihr das Winteranzüglein ausziehen. Doch zuvor ein neues Hindernis, denn tadaaa Treppen, super mit Kinderwagen und Kind das nicht rein will. Alle steigen ein. Ein junger Mann dreht sich zum Glück nochmals um und fragt freundlich, ob ich Hilfe brauche. Eine Antwort ist nicht nötig, mein hilfloser Blick genügt. Er hilft mir den viel zu grossen Kinderwagen über die Treppe durch die ultra kleine Zugtür zu hieven. Tausend Dank an dieser Stelle. Allein hätt ichs nie geschafft. Schon zu zweit mit Kind auf dem Arm war es eine echte Challenge, meinen Teil des Kinderwagens die Treppe hoch zu tragen und Kind und Kinderwagen sicher in den Zug zu bekommen. Ich schien unerwartete Kräfte zu entbündeln. Frage mich an dieser Stelle wirklich ob die SBB bei diesen alten Zügen nicht massenhaft Reklamationen erhaltet. Ich meine nicht nur für uns Mütter ist es eine wahre Herausforderung. Es gibt ja auch Menschen mit einer Gehbehinderung oder auf Krücken, einer Verletzung, etc. Diese Züge sind eine echte Zumutung, wenn man nicht 100% gesund ist und nur auf sich selbst achten muss. Glücklicherweise gibt es ja immer jemanden, der einem hilft. Obschon ich ehrlich überrascht bin, wie wenig Hilfe mir angeboten wurde. Ich meine in diesen Zug sind sicher 50 Menschen gestiegen und nur einer hat mir seine Hilfe angeboten trotz deutlicher Hilflosigkeit.
Endlich sitzen wir im Zug und ich kann meine Kleine aus ihrer Winterkleidung befreien. Sie ist schon viel zufriedener. Dennoch merke ich, dass sie hungrig ist, also stille ich sie während der Fahrt. Ich bin mir schon gewohnt unterwegs zu stillen, deshalb verwundern mich die Blicke auch nicht mehr. Aber es ist schon faszinierend wie irritiert manche Menschen über stillende Mütter in der Öffentlichkeit sind. Man könnte vielleicht denken, kann sie damit nicht warten bis sie zu Hause ist? Oder: wieso macht sie in der Stillzeit einen solchen Ausflug. Meine Antwort auf diese Fragen: Warten bedeutet Geschrei und eine Qual fürs Baby. Auf Ausflüge verzichten bedeutet Isolation für die Mutter. Keines ist im Sinne einer gesunden Gesellschaft. Also nehme ich lieber ein paar irritierte Blicke in Kauf.
Den Rest der Fahrt schläft Kylara brav im Kinderwagen. Und ich finde sogar noch gefallen am alten Zug, weil dieser sehr viel mehr rattert und damit meine Kylara in den Schlaf schaukelt. Erschöpft und ein kleines bisschen stolz komme ich zu Hause an. Ich habe es geschafft.
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